Südwestmetall: IG Metall Forderung führt zu innerbetrieblichen Ungerechtigkeit

Bezirksgruppenvorsitzender Dr. Michael Prochaska: „Weniger Arbeiten und mehr verdienen – das kann nicht gut gehen“

Erstellt am: 04.12.2017

WAIBLINGEN – Geschäftsführer aus Mitgliedsbetrieben der Bezirksgruppe Rems-Murr des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall sehen die Lohnzuschlagsforderung der IG Metall bei gleichzeitiger Arbeitsreduzierung höchst kritisch. Die Gewerkschaft fordert einen Teilentgeltausgleich auch für Beschäftigte mit Kindern unter 14 Jahren oder mit pflegebedürftigen Angehörigen. Hier sollen die Beschäftigten einen Entgeltausgleich von rund 200 Euro im Monat erhalten, wenn sie ihre Arbeitszeit um mindestens 10 Prozent auf bis zu 28 Stunden reduzieren.  „Das bedeutet“, so Dr. Michael Prochaska, Bezirksgruppenvorsitzender, „dass nur diejenigen Beschäftigten in den Genuss des Zuschusses kommen können, die heute mehr als rund 31 Stunden arbeiten“. Das aber, so der Bezirksgruppenvorsitzende, sei ungerecht gegenüber all denjenigen Beschäftigten, die heute schon 31 Stunden oder weniger arbeiten. „Es kann nicht sein, dass Beschäftigte, die heute bereits wegen der Kinder oder Pflegefällen nur in Teilzeit arbeiten, schlechter gestellt werden als diejenigen, die die IG Metall nunmehr im Fokus hat“. Im Extremfall, so Prochaska weiter, würden zwei Beschäftigte mit exakt derselben Arbeitszeit von 28 Stunden, und denselben Voraussetzungen, das heißt Betreuung von Kindern oder Pflegeaufwand, unterschiedlich entlohnt: „Das ist eine Benachteiligung unserer jetzigen Teilzeitkräfte und wird innerhalb der Belegschaft zu einer erheblichen Unruhe führen“.

Auch in anderen Mitgliedsunternehmen ist völlig unklar, worin die Gewerkschaft das Problem bei der Teilzeit sieht. Flexibilisierungswünschen von Beschäftigten werde regelmäßig entsprochen, in der Praxis gibt es kaum Probleme. Kommt es aber zum Anspruch auf eine einseitige Arbeitszeitreduzierung, so stehen die Betriebe vor erheblichen Schwierigkeiten. Bernd Klingel, Geschäftsführer der Lanco Integrated GmbH & Co. KG aus Winterbach berichtet: „Schauen wir uns den Bereich Konstruktion an. Hier arbeiten fast ausschließlich Maschinenbauingenieure und Techniker. Wenn hier zum Beispiel drei davon jetzt nur noch 28 Stunden die Woche arbeiten, dann fehlen mir Know-How-Träger. Das wäre wie eine Eigenkündigung und ich hätte große Probleme Ersatz zu finden um genau diese Lücke wieder zu füllen. Es ist jetzt schon schwer genug, gute Leute zu finden.“

Deshalb warnt auch  Johannes Maier, Geschäftsführer von AMF Andreas Maier GmbH & Co. KG vor  Problemen die eintreten, wenn nunmehr plötzlich Beschäftigte ihre Arbeitszeit einseitig auf 28 Stunden reduzieren können: „Wir brauchen passgenaue, individuelle Lösungen. Was möglich ist, machen wir möglich: Mit einem Mitarbeiter, der seine Mutter pflegt, haben wir einvernehmlich die Arbeitszeit von 7 auf 6 Stunden pro Tag reduziert. Im Versand mit zwanzig Beschäftigten ist das machbar“. Anders aber würde es schon im Controlling mit gerade mal zwei Beschäftigten aussehen.  „Ein einseitiger Anspruch auf Verkürzung der Arbeitszeit würde insbesondere kleinere und mittlere Betriebe in ihrer Personalplanung schwer belasten“, befürchtet Maier. Die Folge wäre, „dass wir entweder weniger produzieren, ins Ausland gehen oder extern zukaufen müssen“. Das ist weder im Interesse der Belegschaft noch des Arbeitgebers.

Hinzu kommt, so Prochaska – Personalvorstand bei STIHL - , dass völlig unklar bleibt, wie die Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels das durch einen zusätzlichen einseitigen tariflichen Teilzeitanspruch ausfallende Arbeitsvolumen wieder ausgleichen sollen. „Ein solcher Anspruch auf Teilzeit würde unser Unternehmen vor erhebliche Organisationsprobleme stellen. Stellen Sie sich vor, in einem Expertenteam in der Entwicklung mit fünf Mitarbeitern verkürzen drei auf 28 Stunden, fehlen also jeweils einen Tag pro Woche. Wenn einer montags, einer mittwochs, einer freitags fehlt, habe ich nur noch zwei Tage die Woche, in der sich das Team absprechen kann. Wenn wir z. B. annehmen, dass 10 Prozent unserer Mitarbeiter in Deutschland also 450, ihre Arbeitszeit reduzieren, bedeutet das für uns, dass 160.000 Arbeitsstunden oder 130 Mitarbeiter pro Jahr für uns wegfallen. Um diese Kapazitätslücke zu schließen, müsste die restliche Belegschaft diese Stunden auffangen. Das bedeutet eine größere Belastung und Mehrarbeit. Oder es müssten auf dem in unserer Region durch Vollbeschäftigung ohnehin sehr angespannten Arbeitsmarkt neue Mitarbeiter gesucht werden, was ja bereits heute schwierig ist“.

Gerade in der Beschäftigungsgruppe der Teilzeitler sei die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeitszeit sehr hoch: So sagen laut der IG-Metall-Beschäftigtenbefragung über 93 Prozent, dass sie mit ihrer tatsächlichen Arbeitszeit nahe an der gewünschten Arbeitszeit sind, der Durchschnitt insgesamt liegt bei knapp 64 Prozent.

Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, um Mitarbeiterwünschen zu entsprechen, sieht Prochaska grundsätzlich positiv. Aber: „Die IG Metall ist hier auf einem völlig falschen Weg“, schlussfolgert Prochaska. „Im Zeitalter des Fachkräftemangels brauchen wir mehr Flexibilität, aber in beide Richtungen, vor allem auch bei der Verteilung von Arbeitszeitvolumen. Die Beschäftigten wollen oft mehr arbeiten und auch mal abends eine Email schreiben und dafür nachmittags früher gehen.“ Um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, sei es notwendig, die betriebliche Arbeitszeit mittels Betriebsvereinbarung vorrübergehend erhöhen zu können und auch die Zeitzuschläge zu modernisieren.

Auch den Gesetzgeber hat der Bezirksgruppenvorsitzende im Fokus: „Das Arbeitszeitgesetz muss dringend reformiert werden. Uns geht es dabei explizit nicht um eine Verschlechterung für Arbeitnehmer, sondern um eine Anpassung an die heutigen Anforderungen der Arbeitswelt“, so Prochaska. „Wir bieten sichere Arbeitsplätze und haben derzeit über 150 offene Stellen im Stammhaus. Für individuelle Teilzeitwünsche haben wir innerbetrieblich in den allermeisten Fällen passende Lösungen gefunden.“

Sein Fazit: „Die Arbeitszeiten der Metall- und Elektroindustrie sind schon heute eine der kürzesten weltweit.  In der Montage unseres STIHL-Werkes in Österreich  wird z. B. 25 Prozent mehr gearbeitet, in der Schweiz und USA 30 Prozent, in Brasilien 50 Prozent, ganz zu schweigen von China. Der weitaus überwiegende Teil der Beschäftigten in der hiesigen ME-Branche ist zufrieden mit der Arbeitszeit. Ein Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit auf 28 Stunden würde nicht nur Teilzeitbeschäftigte unterschiedlich behandeln, sondern eine solche Forderung ist auch ungerecht gegenüber den Beschäftigten die 35 Stunden und länger arbeiten – aber keinen Zuschuss bekommen. Letztlich hätten wir für die gleiche Arbeit unterschiedliche Stundenlöhne – dies ist ungerecht, der Belegschaft nicht vermittelbar und wird zu einer Benachteiligungsdiskussion in den Unternehmen führen.“

Ansprechpartner

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Michael Kempter

Geschäftsführer

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